A – Der bevorstehende massive Ausbau
Es ist bemerkenswert, wie der Ausbau der regenerativen Energie voranschreitet.Leider kann man auch beobachten, dass nach einem Jahr mit sehr viel Wind, auch ein Jahr folgen kann, an dem der Regenerativanteil wetterbedingt sinken kann.
Ein zentraler Aspekt ist, dass sich Elektromobilität als Massenmarkt etabliert und aktuelle Schätzungen der IEA (International Energy Agency) gehen von rund 10 Mio E-Fahrzeugen in Deutschland bis 2030 aus und für Europa sind laut einer Ceresana Studie rund 34 Mio E-Fahrzeuge zu erwarten. Es versteht sich von selbst, wie schwer diese Abschätzungen genau zu treffen sind, zumal jeder politische Eingriff wie Förderungen, aber auch Verfügbarkeit und Preise von Elektrofahrzeugen, Preise für Rohstoffe, Ladeinfrastruktur und Preise fürs Laden eine gewichtige Verschiebung bewirken können.
Die Energiekrise 2022, hat am ehesten mit einer fehlende Erdgasversorgung zu tun, wobei es zu reduziert wäre, wenn man bedenkt, dass auch die vielen nicht funktionierenden französischen Atommeiler beitragen. Sehr viele Aspekte spielen hier eine Rolle, wobei Angebot und Nachfrage zentral sind und natürlich, dass Infrastruktur und damit Versorgung nicht beliebig schnell angepasst werden kann.
Trotzdem, oder weil Skalierbarkeit im Stromnetz grundsätzlich zu erwarten ist, weil Elektromobilität zum Massenmarkt wird und weil regenerative Energiequellen ins Stromnetz einspeisen und auch noch mit der Wärmepumpe & Klimaanlage auf Basis von Elektrizität ein relativ gut skalierbares Energiekonzept für Heizung und Kühlung vorliegt, ist ein massiver Ausbau im Stromnetz absehbar. Zumindest solange es immer nochkeine weitere absehbare parallele Infrastruktur gibt, wo sich alle Markteilnehmer darauf einigen darin zu investieren.
Mit diesen Prognosen vor Augen kommt man unweigerlich in die Diskussion, wie eindeutsches oder europäisches Stromnetz das schaffen kann, wenn man nicht massivin den Netzausbau investiert und zwar sowohl beim Verteilnetz als auch ins Übertragungsnetz.
Im Grunde kann man auch einfach nur den Flaschenhals in der einzelnen Zuleitung zubestehenden Grundstücken, zu Häusern und Parkplätzen beobachten. Ich erinnere mich noch an einen Fall 2019, wo die Zuleitung zu einem neu gebauten Parkhaus immer noch so gering dimensioniert wurde, dass es fast unmöglich war eine Schnellladesäule am Firmengelände zu installieren, weil die Zuleitung gerade so für einige AC-Lader ausgelegt war.
Ein Engpass ist klar vorherzusehen, der alles betrifft, also sowohl E-Autos, die Rohstoffe und die Fertigung, die Ladesäuleninfrastruktur, auch der Ausbau bei PV-Anlagen oder Windenergie. Es fehlt an Genehmigungen, es fehlt sogar an Fachkräften, die eine Solaranlage planen und installieren. Aber dieser allumfassende Engpass bedeutet nicht zwangsläufig einen Blackout im Stromnetz, ich denke eher an die vielen Verzögerungen beim Ausbau, weil es an jeder Art von Ressource fehlt um das System einfach so umzustellen.
B – Der Netzausbau und technologischer Fortschritt
Der Druck auf den Ausbau des Stromnetzes ist hierbei enorm. Die Begründung hierfür ist vor allem, dass die geforderten Leistungen so nie zu erwarten waren und mit komplett neuen Planwerten gerechnet werden muss. Ein Beispiel hierfür ist, die beginnende Standardisierung beim HPC-Laden von LKWs. Dafür wurde ein neuer Standard MCS entwickelt, welcher Ladeleistungen von bis zu 3,75 MW zulässt, bisheriges CCS für Autos war beschränkt auf 350kW. Natürlich sind es Maximalwerte, trotzdem muss man sich das so vorstellen, dass im Grunde die Leistung einer kleinen Windkraftanlage für das Laden eines LKWs verwendet werden könnte. Dieser auf den ersten Blick völlig aberwitzig klingende Vergleich von Leistungen kann aber real werden, sofern man den Ladebedarf des einzelnen LKWs und mit einer Ladeleistung des Netzes in Einklang bringt. Wenn das Laden des LKWs früh genug eingeplant wird und Parkplatz und Stromnetz vorbereitet sind, dann ist diese Menge an Energie und diese Leistung in einem intelligenten Stromnetz reserviert und der Ladevorgang wird zum Standardvorfall.
Auch hier gilt, das Ziel ist ein intelligentes und robustes System, welches auch damit zurechtkommt, dass beim Laden die oben beschriebene Windturbine gerade nicht läuft oder der LKW in einen Stau gerät.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Netzausbau voranschreitet und jede neue Verschaltung im Netz, jede neue Leitung führt zu einer besseren Übertragungsleistung. Und das Energienetz wird durch Ausbau robuster und stabiler. Mir fallen hier vor allem die Stichworte ein, wie neue HGÜ-Leitungen, die Länder und Seeverbindungen herstellen, netzbildende Wechselrichter. Aber auch jede neue verlegte Freileitung und auch neue Arten von Freileitungen haben höhere Übertragungskapazitäten. Ganz neu sind große Batteriespeicher, sowohl auf Verteilnetzebene aber auch im Übertragungsnetz.
Viele Entscheidungen sind auch noch nicht getroffen, nicht final und haben viel an Vorlaufzeit. Dieser Ausbau wird deshalb nicht von heute auf morgen stattfinden. Alle Punkte sind relevant und Ausbaugeschwindigkeiten müssen grundsätzlich synchronisiert werden und es ist mit Sicherheit systemrelevant, wenn ein LKW HPC Ladenetzwerk on top kommt oder stattdessen eFuels zum Einsatz kommen oder eine Mischform. Dass es Engpässe geben wird ist systembedingt, zumal es bei starkem Wind in Norddeutschland heute schon mehr Energie geben kann, als im Netz abtransportiert werden kann, vor allem wenn in Nord- und Ostsee weiterer Ausbau erfolgt und im Süden weniger. Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass nun die ersten Windräder mit Elektrolysefunktion geplantsind, die die Rechnung dahingehend ändern, dass teilweise eben Wasserstoff produziert wird, wodurch das Stromnetz unbelastet bleibt.
C – Energiekrise in Verbindung mit der Umstellung des Systems
Die Energiekrise und die vielen Sorgen um unser Stromnetz sind durch viele Pressemeldungen getrieben, weil Regelleistung durch Wegnahme von Kraftwerken(Gas, Kohle, Atom, Öl) wegfällt und regenerative Energie zunimmt, die eben mehr durch das Wetter bestimmt sind.
Die Diskussion ist aber etwas komplizierter, weil wir über verschiedene mögliche Engpässe reden, weil dieser lokal sein kann, der Engpass kann aber auch landesweit oder aber kontinentweit sein. Und wenn dieser Engpass den ganzen Markt betrifft, dann ist er sehr stark preisrelevant und ein Überschuss führt zu sinkenden Preisen und umgekehrt. Dass es am Strommarkt eben auch schonnegative Preise gab, zeigt diese Besonderheit des Strommarktes und der fehlenden günstigen skalierbaren Speicherlösung, an jedem Ort.
Die derzeit sehr hohen Energiepreise sind aber nicht nur eine Krise des bestehenden Systems, sondern auch eine gewisse Art von Vertrauenskrise. Es ist eine Art mangelndesVertrauen, darin, dass wir mit der Umstellung des Systems und dem Angebotsschock bei Erdgas zurechtkommen und schnell genug gegensteuern können.
D – Demand Response, DERs und Energieflexibilitäten
Grundsätzlich gilt die Annahme, dass sowohl Privathaushalte als auch Industrie und Gewerbe und auch Mobilität in Zukunft mit regenerativer Energie betrieben oder versorgt werden. Und grundlasterzeugende Kraftwerke für regenerative Energie in skalierendem Ausmaß sind aktuell und vermutlich auch in naher Zukunft nicht zu erwarten. Zumindest nicht schnell genug um den Zuwachs an Energie abzudecken, den wir aktuell in der Planung vorsehen können.
Das Konzept eines intelligenten Netzes bietet hier mehrere Lösungsansätze, die sich schon in Entwicklung befinden oder teilweise und ansatzweise auch schon im Markt.
Die erste Idee beginnt im Kleinen einerseits mit Privathaushalten und auch Firmenlösungen, die sich etwas vom Stromnetz abkoppeln. Vor allem mit einer größeren PV-Anlage lässt sich viel an Energieautarkie erreichen. Im Fall, dass ein Firmengebäude neu und energieoptimiert errichtet wird, lässt sich Energieautarkie zu einem hohen Maß herstellen, auch wenn man den Energiebedarf von Mobilität und den Eigenenergieverbrauch in Form von Heizung und Elektrizität mit einrechnet.
Baut man dieses Konzept weiter aus und kooperiert mit Nachbarn oder in Quartieren oder im Falle, dass eine Firma mit einem anliegenden Betreiber einer Solaranlage kooperiert, entstehen DERs, also Distributed Energy Ressources. Spannend daran ist vor allem die Art der Kooperation, welche Garantien gegenseitig abgegeben werden und natürlich auch das technische Energiemanagement und die Handhabung der Transaktionen.
Der zweite Ansatz ist pur digital, das Verwenden von Demand Response Signalen zur Steuerung von Verbrauchern. Auch solche Lösungen gibt es im Einsatz und die IT-Standards hierfür sind mittlerweile auch definiert und standardisiert um den Aufruf durchzuführen. Die Kommunikation von Preisen, und die Kommunikation von Zeiten, wo Energie eingespart werden kann oder einfach der Energiemix ist Basis des Konzeptes ergänzt um einen Mechanismus zur Verbrauchsanpassung. Herausfordernd ist hierbei, dass eben die Verbraucher an diese Mechanismen angeschlossen werden, kein einfaches Unterfangen, wenn man bedenkt, dass nicht jeder relevante Verbraucher IoT befähigt und connected, aber vor allem spricht er nicht dieselbe Sprache. Und in manchen Fällen ist der Verbraucher nur ein Gerät, manchmal ist der Energieverbraucher ein Mensch, der mit einer Maschine interagiert.
Die Komplexität beginnt hier erst, wenn man bedenkt, dass sich die richtigen Marktpartner und Geräte wie ein Verteilnetzbetreiber mit einer Wärmepumpe hierfür finden müssen. Das klingt harmlos, aber hier ist ein weiter Weg, weil man die Userinteraktion und im Grunde die komplette Customer Journey für die Energie-Usecases neu abbilden muss.
Und trotzdem denke ich, dass sich das Konzept in der Breite durchsetzen wird, einfach weil mit fortschreitender Digitalisierung, die Einstiegshürde geringer wird und die Politik das Potential erkennen wird, dass Poolheizungen, Saunas und Laden von Elektroautos nicht per Dekret gesteuert werden, sondern per Signal. So wird aus einer potentiellen Krise mit Szenarien für Brownouts und Lastabwurf ein Standardvorfall mit kleinen und verkraftbaren Einschränkungen, vielleicht sogar individuell incentiviert und damit positiv belegt.
Ebenso wird der Elektro-Flottenbetreibern seine Flotte grüner betreiben können und umgekehrt, er kann auch entscheiden, dass er weniger auf grün achtet, sondern die Personalkosten optimiert. Aber im Falle, dass sich eine Krise im Stromnetz anbahnt führt das Demand Response Signal dazu, dass netzdienlich geladen wird und nur wenn notwendig größere Verbraucher eingeschalten werden.
Im Grunde kann hiermit der Energieverbrauch insgesamt und der Energieverbrauch einer Region oder eines Dorfes an die Verfügbarkeit von grüner Energie angepasst werden, oder zumindest angenähert werden. Ich finde das Konzept stark, wenn man bedenkt wieviel Grundlastenergie damit eingespart werden kann. Das Konzept Demand Response ist eher verknüpft mit volatilen Preisen, weil es in freien Märkten schwer möglich ist, Endkunden zu allen diesen neuen Konzepten zu zwingen. Vermutlich werden Demand Response Konzepte beim Endkunden so ankommen, dass es einen gewissen Zwang gibt, in manchen Fällen eine
Incentivierung in Form von Sichtbarkeit oder Renommee und in manchen Fällen auch in Form von Energiegutschriften, also bezahlt.
Dies ist ein sehr großes Betätigungsfeld in den nächsten Jahren, weil das Prinzip hier ganz einfach ist. Der Anwendungsfall ist das Elektroauto zuhause zu laden und als Endbenutzer entscheide ich mich dafür maximal und sofort zu laden, dann kostet das Laden mehr. Wenn ich eine externe Steuerung die Ladezeiten bestimmen lasse, die aber klimaneutraler oder netzgerechter ist, dann kostet es weniger.
Das dritte Konzept ist ein Energie-Flexibilitätsmarkt. Dieses Konzept geht hierbei einen großen Schritt weiter als Demand Response, weil man hierbei Flexibilitäten gezielt in einem freien Markt anbietet. Es entsteht ein ortsabhängiger Markplatz für Energieflexibilität, weil der Energieüberschuss oder die Unterversorgung nicht national oder international ist, sondern an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit.
Das Konzept basiert darauf, dass ich als Endkunde einen Energiekontrakt habe, welcher mir eine Lieferung einer bestimmten Leistung zugesteht. Diese Leistung kann ich als Verbraucher abrufen, oder eben nicht. Und dieses Konzept ist dann im Grunde ganz einfach so, dass ein Marktpartner wie ein Verteilnetzbetreiber oder jemand der für die Energieversorgung oder einen „kleinen“ Bilanzkreis zuständig ist, mit dem Verbraucher eher Kurzfristvereinbarungen trifft, dass mehr oder weniger Energie abgenommen wird um Netzstabilität zu garantieren oder zumindest wird dadurch verhindert, dass er teuer Energie nachkaufen oder verschenken muss. Das Konzept wirkt etwas seltsam, wenn man bedenkt, dass ein Marktteilnehmer dafür bezahlt, dass Energie abgenommen wird, also im Grunde einen Negativpreis akzeptiert.
Aber es kann sich eine Win/Win Situation ergeben, wenn beispielsweise ein Industriebetrieb eine flexible Produktion hat. Dieses Prinzip eines Energieflexibilitätsmarktes lässt sich genauso auf Privathaushalte übertragen, indem beispielsweise Elektrofahrzeuge oder Speicherbatterien im Haushalt verwendet werden um Überschussenergie entgegenzunehmen, zu lagern und wieder abzugeben, als Art Service für einen Netzbetreiber, der die Überschussenergie nicht gewinnbringend verkaufen hätte können.
Der Energieflexibilitätsmarkt ist eine Zukunftsvision und in vielerlei Hinsicht gibt es noch Hürden. Ein Beispiel ist die Interaktion mit Usern, so ein Markt ist im Grunde nur vorstellbar indem er automatisiert abläuft und für sich selbst entscheidungsfähig ist. Dafür muss aber jeder Marktteilnehmer exakt seine Flexibilitäten kennen und zwar nicht nur die generischen Grenzen, sondern das Echtzeitverhalten. Im Falle eines Haushaltes muss die genaue Auswirkung auf den Endanwender also die Bewohner bekannt sein, im Falle eines Industriebetriebes muss die Auswirkung auf die Produktion modelliert sein.
E – Standards im Aufbau
Alle drei Konzepte sind eng mit der Energiewende verknüpft und werden notwendig werden, weil das Stromnetz nicht wirtschaftlich unendlich ausgebaut werden kann. Und umgekehrt gilt die Aussage ebenso, das Stromnetz muss auf jeden Fall auch physisch erweitert werden. Smart Grid bedeutet hierbei, dass datengetriebene und echtzeitbasierte Konzepte entstehen, die das Netz intelligent ausbalancieren.
Viel entscheidender ist aktuell, dass diese Daten- und Kommunikationsstandards aufgebaut werden, denn alle beschriebenen Konzepte beruhen darauf, dass Marktpartner automatisiert interagieren können. Ohne diese Standards ist es sehr schwer, diese Konzepte in der Breite einzusetzen. Diese Konzepte sind aber meist nur sinnvoll, wenn man viele Marktpartner überzeugt daran teilzunehmen.