A – Energie ist ein knappes Gut
Ein Politiker gab in einem Interview von sich, dass ein sehr großer Teil der Probleme der Menschheit gelöst wäre, wenn wir einen günstigen und CO2 neutralen Zugang zu Energie haben würden. Dieser Satz ging mir lange im Kopf um, weil es so typisch ist für die aktuelle Krise, weil die Vorschläge und Ideen einfach oft sehr romantisch sind. Die Vision ist toll und erstrebenswert, trotzdem wehre ich mich gegen das Wunschdenken, dass sich die Situation schon irgendwie von selbst auflösen könnte.
Fakt ist, dass unsere aktuelle Energiepolitik, kombiniert mit den Krisen der Welt und das Verhalten von Marktpartnern, zu Verwerfungen führt. Vor allem das Design des Energiemarktes in Kombination mit der Abhängigkeit von Importen ist ursächlich für die aktuelle Krise und zwingt die Politik zu entschiedenem Eingreifen.
Ohne Zweifel richtet die Energiekrise einen massiven Schaden an, weil sie energieintensive Industrie und Gewerbe, aber auch Verkehr und vor allem auch viele Privathaushalte in Existenznöte bringt. Die Krise zwingt uns aber auch zu Veränderung, zu der wir sonst nicht bereit gewesen wären und vor allem nicht in diesem Tempo. Und sie bringt Business Modelle hervor, die auf den höheren Energiepreisen basieren.
Diese folgende Prognose ist zwar schwierig zu treffen, aber ganz grundsätzlich sollten wir uns davon verabschieden, dass Energie kein knappes Gut mehr ist. Es ist eher romantisch damit zu rechnen, dass eine geniale Idee und ein schnell verfügbares Forschungsergebnis dazu führen, dass Energie in naher Zukunft durch eine Innovation plötzlich sehr günstig wird und dauerhaft bleibt. Alleine der Klimawandel und die Umstellung des Systems bewirken, dass ein nachhaltig günstiger Energiepreis nur zu erreichen ist, indem das komplette System auf regenerativ umgestellt wird.
B – Was macht den Energiemarkt aus
Die Energiewende kostet Zeit und benötigt sehr viel Investment, vor allem in Infrastruktur und lässt sich nicht in einem kurzen Zeitraum lösen. Weil eben das komplette System, also alle Marktteilnehmer betroffen sind, lokal & international, Infrastruktur, Politik, Investoren, Versorger, Erzeuger und viele kleine und große Verbraucher. Der komplette Markt wird umgebaut und Endzustand ist hierbei noch nicht definiert, viele Fragen sind einfach noch offen.
Trotzdem hat Energie einige Aspekte, die den Markt so einzigartig machen.
1. Das Produkt Energie war immer so stark standardisiert. Nehmen wir den Spruch „Strom kommt aus der Steckdose“, er zeigt wie emotionslos das Produkt ist, wie austauschbar. Das führte auch immer zu eher geringer Markenbildung, das Produkt kann so schwer mit Emotion verknüpft werden. Natürlich ändert sich das mit dem Klimawandel und der Energiekrise, das Produkt ist bei weitem nicht mehr die Energie selbst, neue Energiefirmen und Marken sind hochemotional. Das Produkt kann nun auch alles sein, ein System, ein Service, eine Technologie, eben auch der Service kaum Energie zu verbrauchen und Energie einzusparen.
2. Energie ist nur dann wertvoll, wenn es zu einem Zeitpunkt nicht ausreichend zur Verfügung steht. Vor allem Energiespitzen und Abrufbarkeit in einem kurzen Zeitraum sind zu beachten, das treibt die Preise und geht bis hin zu Negativpreisen.
3. Energie hat einen Ort, auch wenn internationaler Energiehandel und vor allem die europäische Verknüpfung der Stromnetze einen perfekten Markt und eine Handelbarkeit an einem Börsenstandort anstreben, spätestens bei einem Schnellladepark von Autos, bei Bussen und LKWs erst recht, wie wichtig der Ort ist. Die Speichermöglichkeiten, entweder an einem Ort oder mobil sind ein grundlegendes Problem, und hier vor allem die Skalierbarkeit und die Energiedichte bei Mobilität.
4. Energie ist so derart austauschbar, dass es kaum Merkmale hat, wie die Qualität, ganz extrem ist das bei Elektrizität. Energie hat nur Merkmale und Daten die man künstlich hinzufügt, regenerativ oder CO2-Fußabdruck oder Produktionsort einer KWh merkt man dem Produkt Energie bei der Nutzung und nach dem Verbrauch nicht mehr an. Das Einzige was erhalten bleibt sind die Daten.
C – Energie verknüpft mit Daten
Dass aber Daten und Information den entscheidenden Wert darstellen, ist nicht ganz neu. Energiehändler, wie auch Händler von Wertpapieren arbeiten eben nicht nur mit der Energie oder dem verbrieften Recht auf eine Energielieferung, sondern mit der Information um Angebot und Nachfrage. Je besser die Prognosefähigkeit eines Netzbetreibers, umso mehr Gewinn konnte er von je her damit machen, sich mit günstiger Langfristenergie an der Börse einzudecken und diese Menge mit Gewinn an viele Kunden zu verkaufen.
Und das Geschäft mit der Energie hat sich schon so oft gewandelt. Bedenken wir die EU-Taxonomie, und damit die Einstufung in gute und schlechte Energie und auch die Bestimmung von Ökostromtarifen. Dass die Kategorisierung von Energie schwierig ist sieht man auch beim deutschen KFW-Programm für Wohngebäude und hier vor allem der einhergehenden Neubewertung, der Primär- und Sekundärenergie und was davon förderwürdig ist oder nicht.
Beobachtet man diese Änderungen über längere Zeit, dann ist natürlich zu erkennen, dass hier langfristig kein Weg an regenerativ und CO2-neutral vorbeiführt, wobei es in manchen Fällen dauern wird, bis die richtige Bewertung gefunden wird. Es gibt aber eine weitere Konstante in der Energiewende und das ist die Digitalisierung von Energie.
Zugegeben, in Phasen sehr geringer Energiepreise kann auch die Digitalisierung stocken, weil sich Investments dann weniger lohnen. Ein nicht sehr knappes und billiges Gut durch digitale Technologien zu verwalten lohnt sich weniger, als ein teures Gut.
Die Digitalisierung von Energie ist auch weiter vorhersehbar, wenn man Analogien zu anderen Märkten zieht und die Eigenheiten und Besonderheiten von Energie berücksichtigt. Es gilt die Herkunft von Energie digital zu erfassen, also Ort und Zeit und der zugehörige CO2-Fußabdruck. Transport, Speicherung und die Umwandlung des Energieträgers müssen gespeichert und damit digitalisiert werden, auch mit den zugehörigen Verlusten.
Der zweite Aspekt wird die Verwendung sein, weil heute schon Politiker weltweit eine Unterscheidung nach Verwendung fordern. Wir sehen das an Industrie-Energiepreisen, Verbot von Poolheizungen, also Verwendung von Energie mit Unterscheidung nach wichtig und unwichtig, nach Verbrauch für Luxus oder systemkritisch, also beispielsweise in einem Krankenhaus. Heute gibt es dafür kaum Mechanismen, es ist sogar umgekehrt Energie hat kaum einen Verwendungsnachweis, erst beim Verbrauchen wird entschieden wofür es verwendet wird.
D – Der Rollout von Smart Metern
Grundsätzlich bedarf es noch sehr viel Investment und damit auch viel Zeit, damit die Infrastruktur überhaupt geschaffen wird, dass wir Energie auf dieser Ebene auch messen können.
Es bedarf einer umfangreichen Ausstattung mit Smart Metern um Erfassung und Speicherung von Daten zu ermöglichen, die Basis hierfür ist. Die IoT Befähigung von Strom- und Energienetzen ist an vielen Stellen noch ausstehend und für viele Anwendungsfälle zwingend erforderlich. Und der Rollout von Smart Metern ist kein einfaches Unterfangen, wie man am Eichrecht für Elektromobilität sieht oder am deutschen Messtellenbetriebsgesetz. Erst mit Verbrauchsdaten in Echtzeit, mit einer Historie und mit einer gewissen Auflösung und Verwendungsnachweisen und Kategorisierung von Energie ergeben sich sinnvolle Anwendungsfälle für eine Steuerung.
Das deutsche Messstellenbetriebsgesetz ist sehr besonders, weil es im Vergleich zu anderen Ländern in Europa oder auch zu Vergleichen mit USA eine höhere technische Komplexität aufweist, dadurch länger im Rollout dauert und trotzdem vermutlich auch international wegweisend sein wird. Trotzdem gibt es hier schon mehrere europäische Länder, die hier einen klaren Digitalisierungsvorsprung sich erarbeitet haben und dadurch auch schon mehr an Daten verwenden können.
Solange wir aber Probleme haben Energie zu messen, und das betrifft den Verbrauch von Fahrzeugen, das betrifft den Stromverbrauch im Haushalt und natürlich auch Gewerbe und Industrie und genauso die Heizenergie, solange ist es schwer Effizienzsteigerungen weiter durchzusetzen. Jede Heizungssteuerung basiert auf einem Regelkreis und noch viel extremer ist es, dass wir als Menschen unser Verhalten so schwer ändern, wenn wir die Wirkung nicht genau verstehen. Die Jahresenergieabrechnung ist hier viel zu wenig hilfreich, genauso wenig eine aggregierte Summe von KWh.
Wenn wir über IoT Befähigung und datengetrieben sprechen, dann sprechen wir im Grunde darüber, dass wir zuerst lernen Energie detaillierter zu messen und die Daten speichern, dann visualisieren und neue Optimierungsstrategien entwickeln. Am Ende steht natürlich ein effizientes Energiemanagement, welches diese vielen kleinen Entscheidungen rund um Energienutzung mitentscheidet, ohne unseren Alltag einzuschränken.
E – Umstellung des Systems
Die größte Herausforderung aktuell ist die Umstellung des kompletten Systems, weil die Konsequenzen kaum absehbar sind. Einerseits sind wir so derart fixiert auf das Stromnetz, weil es kein anderes skalierbares Energieverteilnetz gibt, welches derzeit regenerative Energie verteilen kann. Andererseits ist das Stromnetz hierfür nie konzipiert oder gebaut worden, zumindest nicht in dem Ausmaß. Das Stromnetz war immer dafür gedacht, dass viele Abnehmer mit Energie über Distanz mit hoher Versorgungssicherheit angebunden werden. Es ist ein simpler frequenzbasierter Echtzeit-Regelkreis, der einfach ein Kraftwerk hinzu – oder wegschaltet, falls mehr oder weniger Energie benötigt wird.
Das Stromnetz war immer auf Konstanz ausgelegt, wenige Leistungsspitzen, außer bei wenigen sehr großen Industriekunden und einigen Gewerbekunden. Aber Elektromobilität fordert hier das Stromnetz heraus, dass diese Leistungsspitzen entstehen, noch dazu nicht an einem ganz fixen Ort und schon gar nicht zu einer fixen Zeit.
Elektromobilität, die starke Zunahme von Wärmepumpen in unseren Breiten und Klimaanlagen in heißeren Gegenden verschieben den kompletten Zuwachs an Energie in das Stromnetz, weg von Öl, Kohle und Gas. Und auf der Erzeugerseite passiert es ebenso, die Vorhersehbarkeit geht verloren, da man nicht garantieren kann, dass Wind- oder Sonnenenergie in ausreichendem Maße am richtigen Ort verfügbar sein werden. Zusätzlich wird zunehmend dezentral produziert und nicht von einem einfach zu steuernden Kraftwerk.
Beachtenswert sind die vielen Privathaushalte, die aktuell dem Trend folgen und eine Solaranlage installieren, teilweise mit Elektroladestation, oft mit Batteriespeicher, oft auch mit Wärmepumpe. Diese Haushalte erreichen alle ein ähnliches Energieprofil und bei entsprechender Dimensionierung eine hohe Autarkie.
Es ist eine sehr spezielle Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die Infrastruktur für den Stromanschluss, für das Messen und generell das komplette Stromnetz für diese Art der Verbraucher nur existiert, um eine Winterlücke zu füllen und ggf. mal eine Sauna aufzuheizen, vielleicht ein Elektroauto mal schneller zu laden, weil gerade notwendig.
Das Vorgehen und dieses Muster mit modernen nahezu energieautarken Häusern soll hier bloß nicht kritisiert werden, weil jede eingesparte Energie einen großen Klimabeitrag leistet. Trotzdem ist zu bedenken, dass bei dieser Art des Verbrauchers, die Leistungserbringung der Energiewirtschaft nicht mehr die Lieferung von Energie ist, sondern die Flexibilisierung und der Service und die Integrationsleistung. Und gemeint ist hierbei nicht nur die Energieintegration, sondern auch die Einbindung in eine Kommunikationsstruktur.
F – Fazit für Preise, Daten und neuen Märkten
Als Schlussfolgerung können wir ziehen, dass wir uns aktuell in einer massiven Systemumstellung der Energiewirtschaft befinden. Regenerative Energien fließen in skalierbarem Ausmaß mit ins Stromnetz ein, und gleichzeitig haben wir mit Elektromobilität, Trend zu Wärmepumpe, Trend zu dezentraler Energieherstellung und viele weitere Innovationen, einen sehr klaren Trend zu Unstetigkeit im Netz.
Das Stromnetz wird digital und datengetrieben und das beschränkt sich nicht nur darauf, dass Verbrauchsdaten erfasst werden, sondern dass Energie mit Daten in Echtzeit verarbeitet wird. Digitalisierung wird dazu führen, dass sowohl die Stromnetze Echtzeitdaten verarbeiten, aber eben auch Verbrauchsdaten, womit dann Prognose und Planung aufgewertet wird. Hieraus wird sich ein völlig veränderter Markt herausbilden, der vor allem geprägt ist von volatilen Preisen, Flexibilitäten, von Preisen für das Speichern von Energie. Zentral ist aber ein völlig neuer Energiemarkt, der IoT basierend ist mit datenbasierter Entscheidungsfindung. In der Zeit der Systemumstellung ist zu erwarten, dass der Energiemarkt ein Verbrauchsmodell ist und weniger ein Abonnementmodell. Sehr wahrscheinlich entsteht ein lokaler dezentraler Handel von Energie basierend auf neuen Standardschnittstellen und -märkten, die es aber in dieser Form heute noch nicht gibt.